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Der Mensch im Zentrum. Architektonischer Bedeutungswandel
seit dem Mittelalter, von Andrea Mesecke, Die Volkswagen Architektur,
S. 11-34.
... Die Möglichkeiten der Architektur, Inhalte
zum Ausdruck zu bringen, wurden früh erkannt und haben ihre
Geschichte in weiten Teilen bestimmt. Der römisch-antike Architekturtheoretiker
Vitruv hatte die verschiedenen Säulen den Geschlechtern zugeschrieben
und ihre Verwendung vom gewünschten Ausdruck der Bauaufgabe
abhängig gemacht. |
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Dem mittelalterlichen
Mönch Suger von St. Denis gelang im Namen des wiedererstarkten
französischen Königshauses unter den Carpetingern mit
einer der ersten gotischen Kathedralen ein eindringliches Symbol
des Machterhalts. Die Renaissance brachte den Aufstieg der bedeutendsten
Kaufmannsfamilien durch die eindrucksvolle Größe und
Würde ihrer Palazzi zum Ausdruck, und spätestens mit dem
Barockschloss Ludwig XIV. in Versailles hatte sich die Gewissheit
durchgesetzt, dass sich politische Machtentfaltung mit architektonischen
Mitteln nachhaltiger festigen ließ als mit Stadtmauern.
Vieles von dem ist heute in Vergessenheit geraten
und hat seine Bedeutung zu Recht verloren. So war die Moderne des
20. Jahrhunderts angetreten, den schönen Schein des Prunks
infrage zu stellen und die überkommenen Formen der Repräsentation
kurzerhand abzuschaffen. Dem Ornament, das nicht für sich,
sondern für anderes steht, wurde der Garaus gemacht. Erst seit
wenigen Jahren besinnen sich Architekten wieder auf die Ausdruckswerte
von Architektur, nicht aber auf deren historische Formen, sondern
auf die Art und Weise, wie Formen Inhalte zum Ausdruck bringen.
... (S. 13)
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